Die Çeng

Ein Instrument, das mich nachhaltig begeistert und das nach dem 17. Jahrhundert in der Versenkung verschwand. Schade, denn die Entdeckungsreise lohnt sich. Das Wichtigste in Kürze über die Çeng. 


Die Çeng -Wiederentdeckung eines faszinierenden Instrumentes

Çeng auf Türkisch-Osmanisch, al-ǧank oder ṣanǧ auf Arabisch oder čang auf Persisch- gemeint ist damit eine Winkelharfe, die sich mit aus den antiken Harfen des Orients bis nach Zentralasien hinein entwickelt hat. Bis ins 6. Jahrhundert hinein war das Instrument ziemlich groß konzipiert, danach eroberten kleine, leichter zu transportierende Winkelharfen den Nahen Osten. In "1001 Nacht" werden die Çeng und die Çeng acemi erwähnt, letztere die persische Variante. Das Instrument war ein fester Bestandteil der höfischen Kultur. 

Bis weit ins 14. Jahrhundert hinein waren die Osmanen damit beschäftigt, ihren Herrschaftsbereich auszuweiten, was die kulturellen Aktivitäten erst einmal einschränkte. Das sollte sich unter der Herrschaft von Murad II (1404-1451) ändern, denn Gelehrte aus dem Reich Timur Lenks besuchten die Paläste in Edirne und Bursa. Herat mit dem Palast von Sultan Hussein Baykara  (1469-1506) war großes Vorbild für die Osmanen und es fand ein reger Austausch von Künstlern der gesamten Region statt. Das Musikleben der Zeit wird in Miniaturen aus Bagdad, Herat, Isfahan, Schiraz, Täbris, Samarkand, Buchara, Chorasan, Edirne, Bursa und Istanbul dokumentiert - bis nach Nordindien hinein holten sich die Osmanen künstlerische Inspirationen und legten so den Grundstein für den Aufstieg Istanbuls als kulturelles Zentrum.  

Ab dem 15. Jahrhundert wird das Instrument ausführlich beschrieben, zum Beispiel von Abdülkādir-i Merāgī (Cāmiʿu'l-elḥān), Ahmed oğlu Şükrullah (Mūsiki Risāl) oder Seydī  (al-Maṭlaʿ) - in dieser Vorschau sind jetzt nur die "türkischen" Quellen gelistet. Eine Çeng  besteht mit Schale, Hals, Bund, Deck und Balken aus fünf Teilen. Der Hals erinnert an den Hals eines Pferdes und gebogen, der Bund misst fast zwei Zoll. Vierundzwanzig Saiten sind in drei Gruppen à acht Saiten geteilt. Die Saiten bestanden aus Seide. Diese Gruppen werden  "had", "zîr" und "muselles" genannt. Die linke Hand greift das "zîr", die beiden anderen Gruppen werden mit rechts gespielt. Das Instrument wird auf der linken Körperseite gehalten und kann mit den Fingern oder einem Plektrum gespielt werden. Spieler werden als Çengi bezeichnet. 

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Die Çeng gilt als typisch weibliches Instrument, da die Çeng häufig in Haremsszenen in den Miniaturen auftaucht. Der zur Tariqa der Mevlevî gehörende Yûsuf Dede Efendi war jedoch ein Meister des Instrumentes und der Musik allgemein. Evliya Çelebi  (1611-1681), der große Reisende und Schriftsteller des 17. Jahrhunderts, der ebenfalls tiefe Einblicke in das Musikleben der Zeit gibt, bezeichnet die Çeng als schwieriges Instrument und gibt an, dass sich aus diesem Grund nur wenige Spieler finden. Seine Anmerkung ist ebenfalls ein Hinweis darauf, dass die Çeng ihre große Zeit bereits hinter sich gelassen hatte. Denn das Tonsystem war zu dieser Zeit tiefgreifenden Veränderungen unterworfen. Im Gegensatz zur Kanun hat eine Çeng keine Mandal (fein justierbare "Stimmhebel) und ist nicht in der Lage, bestimmte Mikrotöne wie großes und kleines Mücenneb zu spielen sowie andere feine Nuancen während einer Aufführung zu erreichen. Nach dem 17. Jahrhundert verschwand die Çeng daher von der Bildfläche. Schade, aber dieses Schicksal hat schließlich auch jede Menge Instrumente aus der europäischen Renaissance ereilt, die es nicht in die Barockzeit "geschafft" haben. 




Das bekannteste Werk des großen Dichters Ahmed-i Dâî (gestorben nach 1421) ist die "Çengnâme". Lange Zeit galt das Werk als "Kriegsliteratur", bis die Forschung revidierte. Denn die "Çengnâme" ist ein Masnavi in 1446 Couplets mit 24 Kapiteln in der "mefâîlün mefâîlün feûlün"-Form. Tatsächlich dreht sich alles um das Musikinstrument, das in mystisch-allegorischer Form behandelt wird. Ähnlich wie die Ney in Rumis "Masnavi" steht die Çeng für den Menschen auf der Suche nach der Einheit mit dem Göttlichen. Gleich dem "Masnavi" ist die "Çengnâme" eine Reise tief in das Herz des mystischen Islam. Drei Exemplare des Werkes sind angeblich erhalten das dritte soll sich in Sivas befinden, wurde aber von niemandem bislang gesehen. 

Sandras aktuelle Çeng ist der Versuch einer Annäherung an das historische Instrument anhand von Miniaturen und Quellen. Wobei schon die Vielfalt der Miniaturen aus dem arabischen, türkischen und persischen Raum zeigt, dass es "die eine" Çeng nicht gegeben hat. Die Tüftelei läuft jedoch auf Hochtouren. Da die Çeng wie jede Harfe die Seele des Menschen tief berührt, eignet sie sich auch hervorragend für therapeutische Zwecke. 

Sie wollen mehr über die Çeng wissen? Fragen Sie mich gerne für einen wissenschaftlichen Vortrag/Artikel an.